Erlebnispädagogik

Relikt aus alten Reformzeiten oder zeitgemäßer Beitrag zum Unterricht?

Lernen nicht über den Kopf, abstrakt und mit Formeln, sondern Lernen in erlebten Situationen, in Aufgaben, die keine vorgegebene Lösung haben, die Herz, Kopf und Hand ansprechen, die eine echte Herausforderung darstellen, das ist der Anspruch von Erlebnispädagogik.

Seit gut 15 Jahren wird dieser Ansatz in Projekten zur Stärkung des Selbstbewusstseins, der Prävention, der Ich-Findung, des Teamtrainings an der Geschwister-Scholl-Schule umgesetzt. Doch was muss man sich darunter vorstellen?

Eine Kleingruppe von ca. 6.8 Personen bekommt eine Aufgabe gestellt. Im Klassenzimmer könnte dies z.B. sein: „Baut in 15 Minuten aus Strohhalmen und einer begrenzten Menge Tesafilm ein Auffangpodest, damit ein rohes Ei, das aus 1m Höhe fallengelassen wird beim Aufprall nicht kaputt geht.“ Eine zweite Kleingruppe beobachtet die Erste nur und macht sich Notizen. Wer bringt Ideen ein? Wie geht man mit Kritik um? Werden alle am Bau beteiligt? Gibt es einen „Chef“? Wie geht die Gruppe mit dem Zeitdruck um? …  Nach der Bauphase setzt man sich zusammen und die Akteure berichten, wie sie sich gefühlt haben, warum die Gruppe erfolgreich war, warum nicht, in welcher Phase sie ein gutes Team waren, wann nicht. Die andere Gruppe steuert ihre Beobachtungen bei.

Nach solchen Aufgaben im Klassenraum folgt ein Tag im Gelände. Nach einigen „Warm ups“ und Übungen zur Steigerung der Wahrnehmung und zur Stärkung des Vertrauens in die Mitschüler müssen weitere Aufgaben gelöst werden, die immer die Zusammenarbeit einer Gruppe erfordern. Eine andere Kleingruppe übernimmt wieder die Beobachterrolle. Eine typische Aufgabe ist das „Spinnennetz“ – hierbei muss die Gruppe durch die Maschen eines Netzes, das zwischen zwei Bäumen gespannt ist auf die andere Seite – aber das Netz darf weder berührt noch eine Masche zweimal benutzt werden.


Gruppe am Spinnennetz

Wie kommt die Gruppe zum Ziel? Helfen alle mit, die kleinen und leichten Mitschüler durch die engen und oberen Maschen zu heben, damit für die letzten die großen, unteren Maschen übrig bleiben? Ist jeder sich selbst der Nächste und schaut, dass er möglichst schnell auf die andere Seite kommt, ohne sich um die anderen zu kümmern? Das anschließende Gespräch über den Ablauf eröffnet den Schülerinnen und Schülern von ganz alleine wichtige Erkenntnisse. Nach mehreren solchen Aufgaben geht es an einem der nächsten Tage in einen Klettergarten. Beim toprope-Klettern in einer Dreiergruppe (einer klettert, zwei sichern) kommen die Jugendlichen schnell an ihre Grenzen, lernen sie zu erkennen und sich auch ein Stück darüber hinaus zu wagen.

      
Kletterzentrum Weinheim – Grenzerfahrung in der Senkrechten

Die größte Herausforderung ist es jedoch, sich von einem Mitschüler sichern zu lassen, dem man womöglich gestern noch das Bein gestellt hatte – wie weit geht dann noch das Vertrauen? Ohne das Zutun des Lehrers erkennen Jugendliche ganz direkt, was gut war und was man hätte besser machen können. Und die meisten resümieren: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mir das zutraue!“


Klettern im Fels

Für solche Aktivitäten hat die Geschwister-Scholl-Schule neben dem Wambolter Sand mit dem Deutschen Alpenverein – Sektion Weinheim und seinem Klettergelände einen verlässlichen Partner gefunden. Hier führten wir viele Fortbildungen zum Thema „Klettern“ für die Sportfachschaft sowie regelmäßige Kletterkurse für Schüler durch. Zusätzlich wurde an der Turnhallenrückwand ein Boulderbereich (Klettern ohne Sicherung bis max. 3 Metern Höhe) mit Hilfe des Fördervereins eingerichtet, seit 2010 haben wir auch eine sieben Meter hohe Kletterwand in der Turnhalle und wenn das nicht ausreicht: die Bensheimer Kletterhalle ist auch nicht fern.

       
Boulderwand im Freien  und Kletterwand in der Halle

Mittlerweile ist Klettern selbstverständlicher Bestandteil des Sportunterrichts geworden, erlebnispädagogische Projekte werden immer wieder in den verschiedensten Stufen durchgeführt. 2009 wurde ein großes Sportfest nur mit erlebnispädagogischen Angeboten bestritten.

Dietrich Hinkeldey

 


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